Selbstvergessene Musik

Uraufführung von »Fraktale« im Philharmonischen Konzert unter André Previn

19. Oktober 1992
Mit einem besonders schönen Konzert eröffneten die Wiener Philharmoniker ihre Saison. Trauerumflort, weil es mit Mozart noch einmal galt, des verstorbenen Ersten Konzertmeisters Gerhart Hetzel zu gedenken. Dann freilich, geführt von Andr'e Previn, war nur noch die Schönheit das Thema.

Einems letztes Orchesterwerk

Gottfried von Einem hat dem Orchester zu dessen 150-Jahr-Jubiläum ein neues Werk zugedacht, ist rechtzeitig fertig geworden und durfte staunend Zeuge sein, mit wieviel warmem, herrlich leuchtendem Ton die Philharmoniker sein Fraktale - Concerto philharmonico op. 94 aus der Taufe hoben.

In den ersten beiden Sätzen dieses Werkes, ehe er sich wieder seinem ironisch distanzierten Augenzwinkern hingibt, gelang Einem ehrliche, wunderbar selbstvergessene, sehnsuchtsvolle Musik, die sich zurückträumt in jene Welten, die Mahler zu Anfang des Jahrhunderts erschlossen hat und deren Traumpotential, deren Lust zur Erkundung der Schönheit des Unregelmäßigen noch lange nicht erschöpft scheint.

Die Frage, wieviel »zu spät« Einem mit solchen Klängen kommt, stellt sich nicht - nicht mehr angesichts der stilistischen Promiskuität unserer Zeit, und schon gar nicht, solange die Philharmoniker so herzerwärmend schön aufspielen.

Previn hat sich für den zweiten Teil des Vormittags überdies ein Werk ausgesucht, das im philharmonischen Kanon bis dato keinen Platz haben durfte: Rachmaninows Zweite Symphonie.




↑DA CAPO